In einem älteren Beitrag habe ich mich ja bereits allgemein mit den Grundlagen und Fallstricken der Inventarisierung beschäftigt und auf die Bedeutung von einheitlichen Vorgaben zur Beschriftung von Objekten mit ihrer Inventarnummer hingewiesen.
Jetzt will ich einmal genauer betrachten, wieso uns Restauratoren die Beschriftung der Objekte so wichtig ist.
Erst kommt die Theorie
Bisher war es die gängige Praxis einen Schichtaufbau aus Grundlack, Schrift und Decklack auf ein Objekt aufzutragen.
Der Grundlack soll bewirken, dass die Beschriftung das Objektmaterial nicht beeinträchtigt. Er bildet also eine Trennschicht zwischen historischem Original und moderner Hinzufügung. Da er direkten und langfristigen Kontakt zum Original hat, ist es besonders wichtig, dass der Grundlack selbst keine schädigenden Auswirkungen hat.
Bei der Beschriftung sind zahlreiche verschiedene Produkte zum Auftrag mit Pinsel oder Stift in Gebrauch. Theoretisch sollten sie nach dem Trocknen mit einem Lösemittel wieder komplett entfernt werden können, ohne den Grundlack zu verändern. Das ermöglicht es, Korrekturen während des Beschriftungsvorgangs vorzunehmen. Meist wird hierfür etwas Wasserlösliches gewählt.
Um die Beschriftung vor unbeabsichtigter Entfernung zu schützen, wird sie anschließend mit einem Decklack überzogen. Dieser sollte sich in einem Löslichkeitsbereich bewegen, der sich vom Schreibstoff und dem Grundlack unterscheidet, um diese Schichten nicht zu verändern. So soll es theoretisch auch später möglich sein, Korrekturen schichtweise kontrolliert vorzunehmen – vorausgesetzt natürlich, man weiß, welche Produkte genutzt wurden!
Und dann kommt die Praxis
Im Arbeitsalltag kann schnell festgestellt werden, dass diese Theorie nur schwer umsetzbar ist: Oft sind die Löslichkeitsbereiche der Lacke und Schreibstoffe in der Realität doch sehr nahe beieinander, sodass z. B. beim Auftrag des Decklacks die Schrift verwischt oder beim Korrigieren der Beschriftung der Grundlack doch verändert wird. Besonders bei Fertigprodukten können die Hersteller die Inhaltsstoffe im Laufe der Zeit verändern, wodurch sich beispielsweise das Löslichkeitsverhalten stark unterscheiden kann. Manchmal werden dann auch Produktlinien eingestellt und das genutzte Produkt ist nicht mehr erhältlich.
Oft ist es auch im Arbeitsalltag mühsam, so viele verschiedene Materialien vorzuhalten und anzuwenden. Manche Stoffe verhalten sich auch bei verschiedenen Klimabedingungen sehr unterschiedlich oder sind dann ggf. nicht mehr nutzbar – und in der Praxis hat man nunmal nicht immer Idealbedingungen zum Arbeiten.
Hinzukommt, dass bei dieser händischen Vorgehensweise die Qualität des Endergebnisses stets vom Geschickt der Ausführenden und der Beschaffenheit des Objektuntergrundes abhängt. So kommt es häufig vor, dass die Beschriftung dann doch nur schwer oder kaum zu lesen ist.
Neueste Erkenntnisse
2019 haben Emerson, Beisenkötter und Lipinski in Heft 1 der VDR Beiträge zur Erhaltung von Kunst- und Kulturgut Empfehlungen zur Anbringung von Inventarnummern an Museumsobjekten publiziert, die sie anhand von praktisch orientierten Versuchsreihen erarbeitet haben.
In der Restauro 8/2022 haben Krautheimer, Kuppel, Steger, Eggert und Krekel neuste Erkenntnisse über die Korrosivität von Restaurierungsmaterialien veröffentlicht, die sie mittels Oddy-Test gesammelt haben. Darin wurde dann u. a. bestätigt, was ich vielfach auch bereits von anderen Restauratoren gehört habe: Paraloid B 72 (häufig als Lack für die Objektbeschriftung genutzt) in Ethylacetat gelöst, kann auch nach scheinbar vollständiger Aushärtung noch Säuren abspalten, die wiederum historische Objektmaterialien verändern können.
Für mich ist im Laufe der Zeit wichtig geworden, dass ich alle Inhaltsstoffe der von mir verwendeten Materialien kenne. Das heißt, dass ich vorrangig reine Stoffe nutze und diese nach entsprechenden Mengenverhältnissen selbst kombiniere. Nur so kann ich Materialien wählen, die ein möglichst geringes Gefahrenpotential für Objekt und Gesundheit darstellen. Die Materialien sollten natürlich auch möglichst alterungsstabil sein und sich bei Bedarf doch wieder rückstandsfrei entfernen lassen. Die Handhabung sollte nicht zu umständlich sein.
In Versuchen kam ich zu dem Ergebnis, dass es praktikabel ist, Objekte mit einem Grund- und Decklack aus Paraloid B 72, 30 %ig in Aceton/Ethanol (2:1) und einem Schreibstoff aus Aquarell (z. B. Winsor & Newton, “Lama Black” und “Chinese White”) zu beschriften. Diese Materialien entsprechen – auch in ihrer Kombination – o. g. Kriterien. Nutzt man als Deckschicht einen hellen Schellack kann man ggf. sogar manche schwarzen Stifte benutzen.
Viel spannender als diese rein händische Beschriftungsmethode finde ich die Möglichkeit, Etiketten auszudrucken (z. B. mit Laserdrucker auf säurefreiem Papier) und diese z. B. mit Paraloid B 72, 30 %ig in Aceton/Ethanol (2:1) auf das Objekt aufzukleben. Obwohl dies mehr Vorbereitung erfordert (Inv.-Nr. am Rechner vorbereiten, ausdrucken, zuschneiden), bieten sich die Vorteile, dass auch sehr klein bei guter Lesbarkeit gearbeitet werden kann. Dadurch ist wenig Objektoberfläche betroffen und man verbraucht tendenziell weniger Ressourcen (z. B. Paraloid und Lösemittel). Es können so auch sehr kleine Objekte gut beschriftet werden und das Beschriften großer Mengen von Objekten geht schneller vonstatten. Paraloid hat den Vorteil, dass es auf Holz, Metall, Keramik und Glas in etwa gleich gut haftet.
Bisher konnte ich leider noch keine Praxiserfahrungen hinsichtlich dem Verhalten bei Klimaschwankungen und Dauerhaftigkeit dieser Methode sammeln.
Hast du bereits Erfahrungen? Dann freue ich mich, wenn du sie hier mit mir und den anderen Leser/innen teilst.