Museum begreifen

Kürzlich besuchte ich in einem kleinen Museum eine Sonderführung, deren Altersdurchschnitt etwa bei 60 lag.

Es hat mich sehr überrascht, dass diese “gute alte Generation” scheinbar auch nicht weiß, wie man sich im Museum verhält. Objekte, die nicht in einer Vitrine präsentiert werden, wurden – bewusst oder unbewusst? – mehrfach angefasst.

Auf einem Podest stand beispielsweise ein historischer Tisch, der weitere kleine Exponate trug. Ein älterer Herr stand mit einem Bein auf dem Podest und stützte sich dabei ganz lässig auf den Tisch. Als der Tisch so stark wackelte, dass die fragilen Exponate zu wandern begannen, wies ich den Mann darauf hin, dass Exponate im Museum nicht berührt werden sollten.

Er wollte doch nur bequem stehen, entschuldigte er sich.

Hätte er sich einen Museumsstuhl genommen, hätte er sogar bequem SITZEN können!

Kann man heute grundsätzlich nicht mehr davon ausgehen, dass es sich einfach nicht gehört, im Museum alles anzufassen? Sind die “unberührbaren Zonen” immer noch nicht eindeutig genug gekennzeichnet?

Wie sensibiliesiert man denn alle Museumsbesucher für korrektes Verhalten im Museum? Muss man etwa bei jeder verkauften Eintrittskarte, zu Beginn jeder Führung immer wieder sagen: “Bitte fassen Sie nichts unaufgefordert an. Bitte Essen und trinken Sie nicht in der Ausstellung. Bitte hinterlassen Sie keine Kaugummis und anderen Unrat an und in den Exponaten.”

Karlsruher Schlosslichtspiele

Nach dem großen Erfolg im letzten Jahr zum 300sten Stadtgeburtstag wurden sie auch dieses Jahr wieder ausgerichtet.


Nur noch bis zum 25.9.2016 kann man diesmal beeindruckende Lichtspiele auf der Fassade des Karlsruher Schlosses bestaunen.

Am letzten sommerlichen Abend letzte Woche habe auch ich es endlich geschafft, alle vier Shows anzusehen. Pünktlich um 20:30 Uhr gings los, doch die besten Plätze im Schlossgarten waren wohl schon seit Stunden belegt. “LEGACY” fand ich toll, da das Schloss als historisches Gebäude und als Museum einbezogen wurde. So war es sehr beeindruckend, als man glaubte, vor einem ägyptischen Palast zu stehen. Später war das Schloss eine gothische Kathedrale oder zeigte eine orientalische Fassade. “Paperworld” war leider überhaupt nicht meins, weder von den Bildern noch von der Musik her. Bei “Defilee” und “Transkutan” war ich leider etwas abgelenkt. Doch die Interpretation berühmter Kunstwerke hat mir einen netten Ausklang des Tages bereitet.

Wer es nun doch nicht mehr rechtzeitig schafft, muss nicht traurig sein. Auch 2017 sollen die Schlosslichtspiele in Karlsruhe wieder stattfinden.

Und vielleicht bald auch in Ihrer Stadt? 😉

Buchtipp: Götter aus Stein

Die Sammlung chinesischer Specksteinfiguren auf Schloss Friedenstein Gotha

Dieser 255-seitige Sammlungskatalog von Martin Eberle erschien 2015 im Morio Verlag für 24,95€ und thematisiert die Asienbegeisterung und Sammelleidenschaft exotischer Gegenstände in der Geschichte Europas. Das konkrete Beispiel vom Wachsen und Zerfall dieser bedeutenden Gothaer Sammlung ist für sich sehr anschaulich und spannend beschrieben, steht aber auch stellvertretend für zahlreiche weitere Sammlungen europäischer Fürstenhäuser und Herzogtümer.

Die 471 qualitätvoll bebilderten Einzelobjekte faszinieren in ihrer bewegten und komplexen Form sowie in den überraschenden Farben und Mustern der Specksteine. Da bekomme ich Lust, selbst mal wieder mit Speckstein zu arbeiten …

Ebenfalls bemerkenswert finde ich, dass im Anhang drei historische Sammlungsinventare des Gothaer chinesischen Kabinetts von 1827, 1852 und 1824 vollständig transkibiert sind. Ein Auszug des erläuterten Katalogs von Möller 1850 rundet den umfangreichen Anhang ab.

Da ich bereits mehrfach für die Gothaer Sammlungen auf Schloss Friedenstein arbeiten konnte, habe ich durchaus einen direkten Bezug und kann einen Besuch der Museen, der gesamten Stadt und der Region wärmstens empfehlen.

Schatzfund durch Restaurierung

Möchte nicht jeder gern einen Schatz finden oder spannende Entdeckungen machen?

Das schaffe Restauratoren häufiger.

Durch unsere besondere Ausbildung und unsere Erfahrungen mit historischen Techniken entdecken wir oft lange Verborgenes, wenn wir ein Objekt bearbeiten und ihm dabei ganz nahe kommen.

Oft sind es nur kleinere “Aha-Effekte”. Doch manchmal entdeckt man Dinge, die nicht nur schön, sondern auch von wissenschaftlicher Bedeutung sind. Und wenn diese Funde dann auch noch auf Begeisterung der Auftraggeber und gar der breiten Öffentlichkeit stoßen, ist das ein großer Lohn für der Restaurator.

So ist es nun auch einer Restauratorin in Lübeck gegangen.

FAKE -Fälschungen wie sie im Buche stehen

Heidelberg am Neckar
Unter diesem Titel läuft noch bis 26.2.2017 in der wunderschönen Heidelberger Unibibliothek in der Altstadt eine Sonderausstellung zur Beziehung zwischen Fälschungen und Büchern.
Als Begleitprogramm wird u.a. eine Vortragsreihe zum Fälschungsthema veranstaltet.

Heute habe ich die erste Veranstaltung des ehemaligen Kriminalhauptkommissars des LKA Stuttgart, Ernst Schöller besucht. Er sprach aus seiner vierzigjährigen Berufspraxis auf sehr humoristische und anschauliche Weise über “Diebe, Fälscher, Hintermänner”. Seine lebendigen Beispielfälle haben sehr dafür sensibiliesiert, dass wir – die mit Kulturgut zu tun haben – uns nicht leichtgläubig allein auf Werkverzeichnisse, Ausstellungskataloge und Gutachten & Co. zur angeblichen Echtheit verlassen dürfen. Wir müssen immer das jeweilige Kunstobjekt selbst und im Kontext mit seiner Begleitgeschichte kritisch prüfen.

Denn es entstehen durch Fälschungen nicht nur finanzielle Schäden, sondern auch solche, die das Wissen und die Forschung nachfolgender Generationen beeinflussen.

Da diese Vortragsreihe öffentlich und kostenlos ist, empfehle ich jedem, auch die weiteren Veranstaltungen zu besuchen. Ich versuche es auch wieder am 30.6., 18 Uhr nach Heidelberg zu schaffen, wenn Horst Bredekamp den “New Yorker Sidereus Nuncius. Punkt für Punkt” als Fälschung entlarvt.

Und vielleicht habe ich dann auch genug Zeit, um mir ein Bild von der Ausstellung zu machen.

“kaputt und … zugenäht” – Restauratorenschreck?

Seit Kurzem regt das neue ZDF-Sendeformat “kaputt und … zugenäht” die Restauratorenwelt auf. Selbst der VDR schrieb bereits einen Brief an den Intendanten des ZDF dazu.

Nun habe ich mir einmal alle in der ZDF-Mediathek vorhandenen fünf Folgen dieser Sendung angeguckt und sehe das Format etwas differenzierter.

Die vermutliche Grundidee, Wertschätzung alter Gegenstände und deren “Reperaturmöglichkeiten” zu vermitteln, finde ich gut. Das richtet sich gegen den aktuellen Jugend-/Neuheitswahn und die Wegwerfmentalität. Und dass endlich einmal eine ordentliche Restauratorin in der Öffentlichkeit auftritt, find ich super! Grundsätzlich vermittelt sie sogar in der Sendung ethische Grundsätze sowie Möglichkeiten und Grenzen der Restaurierung. Gleich in der ersten Folge hat sie den “Allrounder” eingenordet, dass man bei Lack- und Furnierschäden nicht gleich alles abschleifen muss.

Gut, den weißen Sessel hätte sie nicht vergolden und mit rotem Samt beziehen sollen – das war keine Glanzleistung. Und der “Allrounder” hätte die Personenwaage nicht komplett neu lackieren müssen. Die Arbeit des Puppendoktors und des Uhrmachers kann ich aber nicht beurteilen.

Katastrophal ist allerdings die Moderation! Diese Stimme aus dem Off spricht immerzu von “Aufarbeitung”, “in neuem Glanz erstrahlen”, manchmal auch “von altem Glanz”, alles wird wieder “ansehnlich” und “schön”. Die emotionale Bindung mancher Gäste zu ihren Objekten wird einerseits meiner Meinung nach übertrieben gefühlsduselig ausgeschlachtet. Andererseits wird das Geld zu sehr betont. Es beginnt mit der Bewertung der Objekte im desolaten und im “idealen” Zustand. Dann wird natürlch ein Preis für die “Aufarbeitung” ausgehandelt – ja, da geht es wirklich wie auf einem Basar zu und oft wird die Arbeit völlig unter Wert angeboten. Die Stimme aus dem Off betont dann oft, dass sich eine Bearbeitung ja gar nicht lohnt, weil Reparaturkosten die vermeindliche Wertsteigerung übertreffen. Und zum Schluss wandern tatsächlich Geldscheine über den Tresen. Dabei frage ich mich stets, wie die vier “Experten” das dem Finanzamt erklären oder ob sie das Geld gar nicht behalten dürfen?

Völlig unbeachtet bleibt der zeitliche Arbeitsaufwand. Niemals wird erwähnt, wie lang nun wirklich an einem Objekt gearbeitet wurde. Es gab ein handliches Gemälde mit Rahmen, das komplett freigelegt, wohl retuschiert und neu gefirnisst wurde – “bestimmt fünf Stunden” soll das gedauert haben – für 100 €. Und die Kamera hält gnadenlos drauf, wenn der Eigentümer um Fassung ringt …

Es ist aber grundlegend gut, dass scheinbar noch viele interessante alte Gegenstände wertgeschätzt werden und ich recht gutem Zustand erhalten sind. Viele Laien freuen sich, wenn die Alterspatina erhalten bleibt oder fordern es sogar. Die vermittelnde Moderation sollte aber im Sinne des restauratorischen Berufsstands verbessert werden.

Holzsichtige Fassung?

Immer wieder stolpere ich beim Lesen einschlägiger Texte über den Terminus “holzsichtige Fassung” und frage mich, was genau damit gemeint sein könnte.

Eine Holzmalerei kann schonmal nicht gemeint sein, da diese “Maserierung” genannt wird.

Schließen sich beide Einzelbegriffe nicht gegenseitig aus? Holzsichtig und Fassung?

Eine Fassung ist doch eine deckende, oft mehrlagige Oberflächenbeschichtung. Grob zusammengefasst, gehören dazu Grundierung, Malschicht und Überzug. Statt Malschicht oder in diese integriert kann dann auch eine Blattmetallauflage vorliegen.

Für “Holzsichtigkeit” ist in dieser Beschichtung doch gar kein Platz mehr.

Diese meint, dass Holz als Untergrund trotz Beschichtung sichtbar ist. Zumeist trägt das Holz eine Beize, eine farbige Lasur und/oder einen transparenten Überzug. Kann das als Fassung gelten?

Beizen liegen nicht ausschließlich auf der Holzoberfläche, sie dringen auch in die obersten Bereiche des Holzes ein. Wie eine Leimlösche unter der Grundierung einer Malschicht.

Eine Lasur sowie ein transparenter Überzug bzw. Lack sind ebenfalls Bestandteil einer Fassung; können sie dann einzeln auch eine Fassung bilden?  Wie viele Schichten machen eine Fassung aus? Und was ist mit der Transluzenz?

Korrekt müsste es also “holzsichtige Beschichtung” oder besser noch “holzsichtige Oberflächenveredlung” heißen.

Sonst können wir irgendwann gar nicht mehr erklären, warum Möbelrestauratoren keine “Restauratoren für gefasste Holzobjekte” sind.

In der Presse …

  
Ja, da ist sie mal wieder, die “Restauration”.

Wenn ich mir aber den Artikel über die Rekonstruktion der Goldenen Waage in der Frankfurter Altstadt durchlese, trifft dieser Begriff gleich zweifach zu:

Im rekonstruierten Gebäude soll später u. a. ein Café einziehen.

Und diese umfassende Rekonstruktion eines Gebäudekomplexes entspricht weniger einer Restaurierung im musealen Sinn – eben mehr einer Restauration.

Restauration bedeutet eigentlich die Wiederherstellung von Kräften durch Bewirtung mit Speis und Trank. Restauratoren erkennen an der Nutzung dieses Begriffes die Arbeitsqualität von Kollegen.

Von dem Trend der Stadt als historische Kulisse kann man halten was man will. Einerseits ist es schon erfreulich, wenn die Überreste historischer Bausubstanz erhalten bleiben – und dann noch ihrer ursprünglichen Funktion wieder (teilweise) zugeführt werden. Andererseits negiert es in gewisser Weise geschichtliche Ereignisse des 20. Jh. und suggeriert, dass die originale Bausubstanz ersetzbar ist – vielleicht sogar verbessert werden kann. Es zeigt aber auch, dass die Gesellschaft die Vergangenheit als Identitätsstifter braucht. Ohne altes Zeug geht es also nicht.

Kuba-Museum Wolfenbüttel

Vor kurzem habe ich endlich dem Kuba-Museum in Wolfenbüttel einen Besuch abstatten können.

Dieses kleine Museum hat nur an einem Samstag im Monat geöffnet, da es von einem Verein geführt wird. Besonders daran ist – neben dem kostenfreien Eintritt -, dass die Geschichte von Tonmöbeln im ehemaligen Firmengebäude der bekannten Wolfenbüttler Nachkriegsfirma Kuba vermittelt wird. Dabei werden überwiegend Möbel dieser Firma gezeigt, welche durch zahlreiche Volksempfänger und etliche Grammophone in einen geschichtlichen Kontext gesetzt werden.

Für Technikbegeisterte bieten die auskundsfreudigen Vereinsmitglieder gern Rede und Antwort. Für Restauratoren bieten die lackierten Möbel selbst besonders spannende Aspekte, da man eine Vielzahl verschiedener Alterungserscheinungen von modernen transparenten Überzügen, die vermutlich Nitrocellulose enthalten, entdecken kann. Vor den Vereinsmitgliedern, die ihr ganzes Herzblut in dieses Museum investieren, habe ich großen Respekt. Ich hoffe sehr, dass dieses lokal verankerte und identitätsstiftende Vereinsmuseum für Wolfenbüttel bestehen bleibt und zukünftig z. B. durch Kooperationen mit etablierten Museen und Hochschulen erforscht und gefestigt werden kann.

Vortragsreihe

Vom 27.1. bis 24.2.2016 findet im UNESCO-Weltkulturerbe Kloster Maulbronn eine Votragreihe rund um neue Erkenntnisse aus Forschung und Baupraxis statt. Besonders der restauratorische Vortrag über die Maulbronner Madonna am 10.2. ist natlürlich zu empfehlen.

Da diese Veranstaltungen kostenlos sind, sollten Sie sie als Anlass für einen Tag in Maulbronn nehmen.