Vergiftetes Kulturgut

Wer mit alten Dingen zu tun hat, ist sich auch immer der Tatsache bewusst, dass nicht nur die Objekte vor schädlichen Einflüssen zu schützen sind, sondern auch die Menschen. Besonders Objekte aus organischen Materialien, wie Holz, Textil, Fell, Federn, Papier usw. können mit Schadstoffen belastet sein. Das können Biozide, Säuren, Stäube u. v. m. sein.

Für uns Menschen kann der Kontakt mit solchen Schadstoffen gesundheitliche Auswirkungen haben – von leichten Irritationen der Haut, Augen und Atemwege über deutliche allergische Reaktionen bis hin zu schweren Nervenschäden und Krebserkrankungen.

Deshalb ist es wichtig, mit alten Dingen richtig umzugehen. Konkret heißt das also, dass man Objekte nie ohne Handschuhe anfassen sollte. Über die Hände können giftige Substanzen in unseren Körper gelangen. Bei staubigen Arbeiten sollte man geeigneten Atemschutz tragen – mindestens FFP 3. Ausreichende Belüftung und Arbeitshygiene (essen und trinken in “sauberem” Raum und nicht direkt am Objekt, Hände waschen, Arbeitsgeräte sauber halten) sind ebenso selbstverständlich.

Mit den entsprechenden Vorsichtsmaßnahmen, ist also der Umgang mit alten Dingen sicher möglich. Dafür ist die Publikation von Paul Zalewski (Hrsg.): Biozidbelastete Kulturgüter. Grundsätzliche Hinweise und Texte zur Einführung in die Problematik. Frankfurt/Oder 2014 sehr empfehlenswert.

Sie ist kostenlos als vollständiges Druckwerk über die Viadrina zu beziehen und enthält auf ihren 262 Seiten neben einführenden Projekterläuterungen grundsätzliche Hinweise für den Umgang mit biozidbelasteten Objekten. Diese sind kurz gehalten (18 Seiten) und dabei sehr prozessorientiert, also gut auf den Arbeitsalltag anwendbar.

In zwei weiteren Teilen vermitteln namhafte Autoren, wie Helene Tello, Jirina Lehmann, Boaz Paz, Achim Unger usw. wertvolles Hintergrundwissen zur Geschichte von Bioziden, betreffende Normen, Analytik, Gesundheitsschutz und Dekontamination. Dazu sind eine umfangreiche, thematisch sortierte Literaturliste und zahlreiche Weblinks angefügt.

Der 30-seitige Beitrag von Markus Klug zum “Umgang mit holzschutzmittelbelasteten Bauteilen, Gegenständen und Materialien” ist dabei besonders praktisch nutzbar, da er ein Muster eines “A+S-Plans” enthält, Verfahrensschritte tabellarisch auflistet und Vorschriften und Regeln zusammenfasst.

Insgesamt ist diese Publikation sehr übersichtlich, gut verständlich und praktisch nutzbar. Den Autoren war ganz offensichtlich wichtig, eine praxisorientierte, knapp zusammengefasste Handreichung mit allen nötigen Verweisen für eine eingehendere Beschäftigung mit dem Thema bereitzustellen. Sehr anschaulich werden hier Theorie und Praxis in Bezug gesetzt.

 

Öffnen, bewahren, präsentieren

Unter diesem Titel beschreiben die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (SSG) auf fast 400 Seiten die Vielfalt ihrer Aufgaben.

Sehr qualitätvoll bebildert feiern die SSG mit dieser Publikation ihr 30jähriges Bestehen und lassen alle Interessierten an ihrem Alltag teilhaben.

Mit zahlreichen Artikeln verorten sie ihren Standpunkt in der Geschichte und der heutigen Gesellschaft. Gebäude- und Inventarverwaltung haben an den Höfen eine sehr lange Tradition, in der nach einigen Einschnitten heute die SSG stehen. Anhand der heute betreuten Monumente wird beschrieben, welche Themen für Mitarbeiter und Besucher wichtig sind und wie sie in Einklang gebracht werden.

Neben jüngsten Vermittlungsprojekten werden auch Forschungsthemen und Erhaltungsmaßnahmen exemplarisch beschrieben. So erfährt man, was sonst im Verborgenen vor sich geht, z. B. innovative Forschungen zur sogenannten Glaskrankheit oder auch zu versteckten historischen Inventaretiketten.

Der Spagat zwischen dem Schutz vor Verlust originaler Substanz und der Vermarktung und Vermittlung der Gebäude, Ruinen, dem Inventar und der Gärten wird anhand verlorener Monumente, jüngster Neukonzeptionierungen und bevorstehender Projekte verdeutlicht.

In 30 Beiträgen beschreiben Mitarbeiter somit einen kleinen Teil ihrer Arbeit.

Auch ich habe mitgewirkt und eines meiner liebsten Arbeitsthemen beschrieben.

Buchtipp: Das Porzellanschloss der Sibylla Augusta von Baden-Baden

… beschreibt Ulrike Grimm in ihrem gleichnamigen Buch von 2010.  

Auf ca. 150 Seiten wird in kurzen Texten und zahlreichen künstlerischen Abbildungen etwas von dem Zauber von Schloss Favorite bei Rastatt transportiert.

Dieses nahezu unveränderte Schloss muss man einfach besucht haben, denn es lässt auch heute – nach über 300 Jahren! – noch den erlesenen Kunstgeschmack seiner Erbauerin spüren. Und dieses Buch transportiert diese besondere Magie sehr gut.

Durch die Beschreibungen und Bilder habe ich große Lust bekommen, einiges selbst nachzufertigen, wie Perlenstickerei oder Specksteinfiguren schnitzen. Am liebsten würde ich auch sofort auf einem Trödelmarkt nach vergleichbar schönen Objekten mit Geschichte suchen.

Dieses Buch eignet sich übrigens auch gut als Weihnachtsgeschenk.

Buchtipp: Friedrich Gottlob Hoffmann

Passend zur Sonderausstellung über diesen Tischler, die noch bis zum 12.4.2015 im Grassi Museum in Leipzig läuft, wurde dieses Buch publiziert. Es bietet für den aktuellen Wissensstand einen sehr umfassenden Eindruck seines Schaffens.

BuchNach einleitenden Worten über die Hintergründe dieser Publikation und der Ausstellung wird kurz der Zeitgeist um 1790 in Leipzig umrissen. Anschließend wird die “Rostische Kunsthandlung und Kunstmanufactur” in Leipzig vorgestellt, die für Hoffmanns Vertriebswege bedeutend war. Die tabelarisch aufbereitete Biografie Hoffmanns ist ebenso verständlich und praktisch gehalten wie der Katalogteil, der in 100 Nummern zugewiesene Objekte sowie Kopien, Umkreis und Nachfolge Hoffmanns verdeutlicht.

Besonders spannend fand ich das Kapitel über die verwendeten Materialien und Techniken sowie die abschließende Würdigung der damals innovativen Vertriebswege Hoffmanns. Stets wird Bezug zu Roentgen genommen und Preisvergleiche zum Verständnis der damaligen wirtschaftlichen Verhältnisse gegeben.

Auf CD liegen sogar noch die beiden digitalisierten Kataloge Hoffmanns von 1789 und 1795 bei. Zum Öffnen benötigt man einen Flashplayer.

Bildschirmfoto 2015-01-27 um 17.53.47Die hoch auflösenden Scans sind sehr ansprechend und realistisch mit Umblättern und Geräuschen animiert. Das erfordert allerdings eine hohe Rechenleistung und kann die Nutzung etwas stocken lassen.

Die selbst im Vollbild etwas kleine Ansicht des aufgeschlagenen Katalogs kann man durch einen Button unten rechts noch vergrößern. Leider kann man die Seiten nicht drehen. So kann man im zweiten Katalog viele Abbildungen im Querformat nicht ordentlich betrachten. Dafür kann man aus dem Programm heraus drucken! Scheinbar kann man sogar einzelne Textpassagen mit einem Tool auswählen und heraus kopieren. Das hat bei mir allerdings nicht funktioniert.

Insgesamt ist die Publikation sehr gut lesbar geschrieben, die damalige Zeit wird sehr anschaulich vermittelt. Dazu ist der Text reich, aussagekräftig und überwiegend qualitätvoll bebildert. Auch das Lektorat hat gute Arbeit geleistet, weil ich bisher nur einen Tippfehler und einen falschen Seitenverweis entdeckt habe. Besonders praktisch ist das eingebundene Leseband. Die digitale Beigabe der Hoffmannschen Warenkataloge rundet die Publikation ab und führt vielleicht dazu, dass weitere seiner Möbel gefunden und ihm zugeschrieben werden können. Allerdings können Scans und selbst deren Ausdrucke nicht die originalen Kataloge ersetzen.

Buchtipp: Barockschloss Mannheim

_DSC0157Dieses Buch habe ich vor einiger Zeit für noch nicht einmal 6 € in einem Mannheimer Buchladen ergattert und habe es sehr gern gelesen.

Es wurde 2007 von den Staatlichen Schlössern und Gärten Baden-Württemberg anlässlich der Wiedereröffnung des Schlossmuseums herausgegeben und behandelt wirklich sehr umfassend die wechselhafte fast 300jährige Geschichte dieses Gebäudes. Angefangen bei den Vorgängerresidenzen und den Erfordernissen zur Grundsteinlegung eines neuen Schlosses in Mannheim durch Herzog Carl III. Philipp von der Pfalz 1720, über die nahezu komplette Zerstörung im Zweiten Weltkrieg, geht der Ritt durch die Jahrhunderte bis hin zum Wiederaufbau und der jüngsten Einrichtung des Museums.

Auf 262 Seiten mit vielen anschaulichen Bildern und angehängten Stammtafeln, Grundrissen sowie Raumkonkordanzen (47 Seiten) erfährt man, wie lang sich der Bau dieses riesigen Komplexes hinzog, sich weithin bedeutende Sammlungen am kurpfälzischen Hof und in badischer Zeit etablierten, und mit dem Umzug Carl Theodors 1778 nach München wieder zerfielen. Die Blütezeit dieser Residenz war also bereits nach weniger als 60 Jahren vorbei. Im frühen 19. Jh. diente Mannheim als Zweigresidenz und erfuhr fortan eine ständige Umnutzung hin zu einem “Bürgerschloss”, da hier Ämter und Behörden beheimatet waren.

Der Leser erfährt etwas über die früheren Hofbewohner, wie Stephanie de Beauharnais Großherzogin von Baden (Adoptivtochter von Napoleon) und den zahlreichen Kavalieren und Hofdamen. Leider ist mir die komplexe Höfische Welt von damals so fremd, dass auch dieser Exkurs nicht zu meiner Erhellung diesbezüglich beitragen konnte.

Mit dem Ende der Monarchie 1918/19 wurde das Inventar aufgelöst und gelangte erst 2007 teilweise wieder in das Museum zurück.

Als Restauratorin hat mich natürlich ganz besonders ein kurzer Beitrag über die Freilegung zweier Konsoltische interessiert. Unter einer groben dunkelbraunen Überfassung kam noch eine recht gut erhaltene Weißfassung mit Vergoldung zutage. Erst nach dieser Entdeckung konnten gefundene Fragmente richtig zugeordnet werden.

Die umfangreichen Raumkonkordanzen fassen Raumnutzungen und deren Ausstattung zusammen. Arbeitet man mit diesen Listen kann man erahnen, wie sich im Laufe der Geschichte die innere Optik dieses Komplexes verändert hat.

Besonders wenn man das Mannheimer Schloss kennt, regt diese Lektüre die Phantasie an und die Geschichte erwacht vor dem inneren Auge zum Leben. Die drastisch bebilderten Kriegsschäden und moderne städtebauliche Überlegungen schmerzen ein bisschen, doch lassen das Überkommene umso wertvoller erscheinen.

Das Puppenhaus der Queen

Buch

Neulich fand ich zufällig in einem Geschäft dieses Buch von Lucinda Lambton und musste es einfach haben.

Über die Feiertage konnte ich es lesen und bin durch die Beschreibungen und zahlreichen Abbildungen in die faszinierende Miniaturwelt dieses Hauses eingetaucht.

In fünf Kapiteln werden in teilweise recht blumigen Worten Architektur und Ornamentik, der Personaltrakt, die Wohn- und Repräsentationsräume, das Familienleben sowie die Bibliothek und die Kunstsammlung beschrieben. Ein Verzeichnis der zahlreichen beteiligen Künstler, Kunsthandwerker und Hersteller beschließt das 130 Seiten starke Buch in handlichem Format. Als Restauratorin hätte ich mir doch teilweise noch mehr Informationen zu Material und Herstellungstechnik gewünscht.

Das Puppenhaus wurde von 1921 bis 1924 unter Federführung des Architekten Edwin Lutyens für Königin Mary – Frau von König George V. – geschaffen. Zusammen mit über 1500 Schriftstellern, Künstlern, Handwerkern und Firmen wurden teilweise voll funktionsfähige Miniaturen vieler damals üblicher Alltagsgegenstände geschaffen und in diesem 1,52 m großen Haus zusammengetragen. Es wirkt nahezu wie ein echtes Haus, das durch einen Zauberspruch geschrumpft wurde und den Zeitgeist des adligen Großbritanniens der 1920er Jahre konserviert.

Bereits von Anfang an wurde dieses Wunderwerk der Handwerkskunst der Öffentlichkeit präsentiert. Heute kann man es noch immer in Schloss Windsor bestaunen.

Wenn es mich irgendwann einmal nach England verschlägt, will ich mir dieses Puppenhaus auf jeden Fall anschauen. Bis dahin träume ich davon, ebenfalls so ein einzigartiges Puppenhaus zu besitzen oder zu erschaffen …

Reinlichkeit bei Hofe

Foto 27.09.14 13 41 28Die Publikation zur vergangenen Sonderausstellung “Das Stille Örtchen – Tabu und Reinlichkeit bey Hofe” empfinde ich als sehr lesenswert.

Über 190 Seiten wird in 16 Aufsätzen unter reicher und ansprechender Bebilderung mit anschließendem Katalogteil recht umfassend behandelt, welche Hygienevorstellungen vom 17. bis 19. Jh. bei Hofe und im Bürgertum herrschten und dass Wasser als Krankheitsüberträger galt. Es wir beleuchtet, welche Einflüsse Körperhygiene auf die Architektur sowie die Strukturen des Hofstaates und der Gesellschaft hatte, welche Möbelformen dafür entwickelt wurden, welche Accessoires es für den Toilettengang, die Mundhygiene, das Waschen, Parfümieren, Kleiden, Schminken und Frisieren zu Hause sowie auf Reisen gab. Auch die damalige gesellschaftliche Kritik an extremen Modeerscheinungen der Adligen wird aufgegriffen.

Allerdings habe ich – ehrlich gestanden – den Artikel “Das Boudoir auf der Bühne – Intimität und Öffentlichkeit auf der Bühne” nicht gelesen, da er mich aufgrund der Bebilderung nicht ansprach. Ich dachte, er thematisiert modernes Theater. Wenn ich aber genauer darüber nachdenke, wird er sich wohl doch mit historischen Theaterinterpretationen befassen.

IMG_0150.JPGIch finde, dass bereits die beiden sehr verschiedenen Cover von Einband und Umschlag zeigen, wie wissenschaftlich ernst und zugleich auch humoristisch dieses doch noch oft tabuisierte Thema aufgearbeitet wurde.

So ist bei mir vieles hängen geblieben und ich habe ein Stück mehr Verständnis der damaligen Umstände – und schätze die modernen Hygienemöglichkeiten umso mehr.

Ich wusste z. B. bis zu dieser Lektüre nicht, was es mit einer Flohfalle auf sich hat. Oder dass dem französischen Sonnenkönig, Ludwig XIV. beim Ziehen schlechter Zähne ein Teil des Gaumens mit entrissen wurde.

Ein Bourdalou war eine Zeit lang als eine Art mobiler Nachttopf für das weibliche “kleine Geschäft” üblich. Als dieser Zweck in Vergessenheit geriet nutzten viele diese Keramik als Saucieren. Sie vielleicht auch? Finden Sie es heraus!

Einige Exemplare gibt es z. B. bei amazonWeltbild und anderen Buchhandlungen. Ansonsten kann es direkt über die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg bezogen werden.