Seit kurzem kümmere ich mich um ein kleines Archiv von Bildträgern (Positive und Negative aus verschiedensten Materialien und Techniken), dessen Pflege im Laufe der Zeit aufgrund von Personaländerungen und der zunehmenden Digitalfotografie nahezu komplett zum Erliegen kam.
Dies führt mich zu der Frage: Wie nachhaltig ist es, so ein Archiv bestehen zu lassen?
Nutzung ist Nachhaltigkeit
Grundsätzlich gilt, dass es Verschwendung wertvoller Ressourcen ist, etwas Bestehendes ungenutzt “liegen” zu lassen.
Im Falle des Bildarchivs bedeutet dies, dass Platz (Raum, Möbel) blockiert wird, der anderweitig genutzt werden könnte. Durch die Ansammlung von Bildträgern (z. B. Papier) besteht eine erhöhte Brandlast – besonders wenn Cellulosenitrat als Bildträger vorhanden ist. Und der “blockierte” Platz verursacht Unterhaltskosten (z. B. Miete, Strom, Heizung/Kühlung, Reinigung).
Dann könnte man doch alles entsorgen, oder etwa nicht?
Im Falle dieses Bildarchivs ist die Antwort ganz klar: Nein!
Bei ersten Sichtungen stellt man schnell fest, welcher Informationsschatz hier schlummert. Es gab schließlich mal einen Zweck, für den das Archiv angelegt wurde. Anhand der vorhandenen Bildmaterialien kann man ableiten, wann z. B. ein abgebildetes Sammlungsobjekt wo stand, in welchem Zustand es war, wann es restauriert wurde, wer es wie genutzt hat, usw. Besonders für Restauratoren sind das unglaublich wichtige Belege der individuellen Objektgeschichte, die bestimmt, wie heute und in Zukunft mit einem Sammlungsobjekt umzugehen ist.
Digitalisieren und dann entsorgen!
Vielfach keimt die Ansicht auf, man könnte analoge Datenträger digitalisieren und dann getrost entsorgen, da ja alle Informationen digital vorliegen und bequem vom Schreibtisch aus genutzt werden können.
Das trifft nur bedingt zu, denn bei der Digitalisierung können gar nicht alle physisch vorliegenden Informationen übertragen werden.
Ein Foto enthält weit mehr Informationen als den reinen Bildinhalt. Zunächst einmal werden viele Informationen vergessen oder bewusst weggelassen, weil sie uns heute nicht wichtig erscheinen. Klassische Beispiele dafür sind die Maße des Bildfelds und des Bildträgers, handschriftliche Vermerke am Rand oder der Bestandszusammenhang. Hinzukommt, dass wir heute ja gar nicht wissen, welche Fragen in Zukunft an die Bildmaterialien gestellt werden. Falls beispielsweise demnächst die Zusammensetzung von alten Bildträgern analysiert werden soll, um sie nachzuproduzieren oder Schadenszusammenhänge belegen/ausschließen zu können, wird das analoge Original benötigt. Es ist heute nicht möglich, mit so viel Weitblick alles zu analysieren und zu erfassen.
Digitalisierung erleichtert also die Nutzung dieses analogen Bildarchivs, kann es aber nicht ersetzen.
Und für eine Digitalisierung muss das analoge Bildmaterial ebenfalls zunächst nutzbar sein. Und wirklich nutzbar ist etwas Bestehendes nur, wenn es auch gepflegt wird.
Im Falle eines Bildarchivs bedeutet dies, dass es zunächst einmal für betreffende Personen zugänglich sein muss. Sie müssen wissen, dass es das Archiv gibt und geregelten Zugang haben. Dann müssen sie wissen, was sie dort finden können, um abzuschätzen, ob sich eine Suche lohnt. Dafür muss natürlich eine nachvollziehbare Struktur und Ordnung vorliegen, in der man gezielt suchen kann. Und um Struktur und Ordnung aufrecht zu erhalten, muss regelmäßiger Pflegeaufwand investiert werden – z. B. das Sicherstellen, dass entnommene Bilder auch wieder zurückkommen und ihren richtigen Platz wiederfinden.
Struktur und Ordnung begünstigt wiederum eine optimale Erhaltung der analogen Originale. Und nur gut Erhaltenes ist wirklich nutzbar.
Bei einigen Bildträgern ist beispielsweise neben der Temperatur, in der sie gelagert werden auch das Kontaktmaterial entscheidend. So können Celluloseacetatnegative bei direktem Kontakt in ungünstigem Klima durch ihr Alterungsverhalten zusammenkleben. Dann sind sie nicht mehr wirklich nutzbar.
Kontinuierliche Pflege ist Nachhaltigkeit
Es ist fast schon ein Grundgesetz der Natur, dass kontinuierliche Pflege nachhaltiger ist, als temporäre Aktionen.
Die Ordnung im Bildarchiv aufrechtzuerhalten und dabei stets den Erhaltungszustand und die Aufbewahrungsbedingungen im Blick zu haben, spart Arbeitszeit, Geld und Materialien, die andernfalls für konzentrierte Pflege- und Restaurierungsaktionen aufgewendet werden müssten.
Kontinuierliche Pflege steht und fällt mit der Verantwortlichkeit.
Diese liegt im Endeffekt immer beim Eigentümer und kann nicht nach Extern übertragen werden. Es bedarf also immer mindestens einer Stelle “im Haus”, die einen Überblick hat und nötige Pflegemaßnahmen veranlasst. Ich schreibe ganz bewusst “Stelle”, denn dies sollte nicht an eine Person geknüpft sein. Ist die Person temporär oder dauerhaft nicht anwesend, zeigt die Erfahrung, dass sich selten eine andere Person zuständig fühlt. Im modernen Arbeitsleben reißen sich verständlicherweise die Wenigsten um zusätzliche Aufgaben oder Verantwortung.
Hat die verantwortliche Stelle das Potential, den “Schatz” des Bestehenden erkannt, werden ganz zwangsläufig Finanzmittel für erforderliche Maßnahmen bereitgestellt. Das können auch zunächst kleine Summen sein.
Hautsache, man fängt an und bleibt am Ball!
Dann wird sich langsam – fast unbemerkt – die Nutzbarkeit steigern und gleichzeitig der Ressourceneinsatz auf dem kleinsten erforderlichen Niveau bewegen.