Neulich auf Wohnungssuche besichtigte ich eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus aus den 1930er Jahren. Die Wohnung war entkernt und schon beim Eintreten war ich begeistert:
Wohnungstür und alle Zimmertüren mit Zargen waren noch aus der Bauzeit. Unter dem aktuellen weißen Anstrich sind sicher noch Frühere erhalten – vielleicht auch der Erste?
Die Wände – von Tapeten befreit – zeigten noch den ursprünglichen Wandaufbau aus Stroh und Lehmputz. Und 90% der ursprünglichen Fassung waren ersichtlich. Sehr interessant, wie dunkel die Wohnräume waren, mit großen schablonierten grafischen oder floralen Mustern. Nur die Küche war hell gestaltet, mit einer kleinen grafischen Bordüre.
In den 1970er Jahren wurden dann von der Küche Toilette und Dusche abgetrennt. Fenster wurden seitdem bereits einmal getauscht, ein Balkon angebaut.
Diese Wohnung war ein gutes Beispiel eines lebendigen Kulturgutes. Spuren aus der Entstehungszeit und späteren Renovierungen, Instandsetzungsmaßnahmen sind deutlich. Und nun steht eine neuerliche Grundsanierung an.
Diese bedeutet erhebliche Umbaumaßnahmen, wie eine komplette Neuanlage eines modernen Badezimmers, Erneuerung der Elektrik und der Heizung. Das ist nötig, um diese Wohnung wieder bewohnbar zu machen und damit ihrem ursprünglichen, historisch intendierten Zweck wieder zu zuführen. Auf keinen Fall sollte man solch ein Objekt musealisieren. Dabei reicht eine Dokumentation und Hinterlegung beim Denkmalamt.
Leider war die Wohnung zu groß und zu teuer für mich, aber die Erkenntnis, dass eigentlich überall um uns herum Kulturgut zu finden ist, hat mir gezeigt, dass wir Restauratoren, die historische Substanz erhalten auch in der modernen zukunftsorientierten Gesellschaft wichtig sind. Denn ohne Vergangenheit hat die Gesellschaft keine Kultur und keine Identität mehr.