So tituliert heute Heise auf seiner Internetplattform.
In diesem Artikel wird suggeriert, die Sächsische Stadt Grimma wäre aktuell nicht so schlimm überflutet, wenn nach dem letzten großen Hochwasser 2002 zügig mit dem Bau gigantischer Schottenwände – wie im Hochwasserkonzept von 2003 ermittelt – begonnen worden wäre. Denn diese wären dann 2013 fertig gewesen.
Anfang dieses Jahres und somit rechtzeitig?
Oder wohl eher erst gegen Herbst/Ende das Jahres und somit zwar nur knapp zu spät, aber Grimma wäre wohl trotzdem wieder überschwemmt worden.
Ich verstehe, dass Betroffene nun unter Schock stehen und irgendwo die Schuld die suchen. Aber sie überwiegend auf die Denkmalpflege zu projizieren, empfinde ich als sehr ungerecht.
Es mag stimmen, dass die Prüfungen zum Denkmalschutz den Baubeginn verzögerten und sogar verhinderten, aber doch nur, weil die zuständigen Denkmalpfleger genau abwägen mussten – und ja nicht nur diese eine Stadt, sondern noch viele Objekte mehr betreuen.
Denn Denkmalpfleger haben eine hohe gesellschaftliche Verantwortung zu trage. Wenn alte Gebäude verunstaltet werden, rufen viele Stimmen sofort: “Wo war die Denkmalpflege?” Wenn Baumaßnahmen versagt werden, heißt es wiederum “Die Denkmalpflege verhindert Fortschritt.”
Diese “Verhinderungsmacht” – wie sie auch in dem Artikel abwertend genannt wird – ist heute aber politisch und soziokulturell durchaus gerechtfertigt.
In vielen vergangenen Epochen sind durch unreflektierte, voreilige Baumaßnahmen oder gut gemeinte Verbesserungsmaßnahmen bedeutende Kulturdenkmale unwiederbringlich verloren gegangen. Daraus haben wir gelernt, dass unsere heutigen Ansichten schon von der nächsten Generation ganz anders gesehen werden, weshalb wir -also alle Berufe, die mit der Erhaltung von Kulturgut betraut sind – versuchen, langlebige und nachhaltige, nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen.
Auch die in Grimma beteiligte Bürgerinitiative gegen die Schottwände hat für mich völlig nachvollziehbar gehandelt. Denn man muss immer bedenken, dass nach wie vor Menschen in dieser Stadt leben können müssen. Und wenn sie dann ständig auf diese Mauern schauen müssen, fördert das nicht gerade das Wohlbefinden, sondern erinnert eher an Bilder der Mauer, die einst Berlins Straßen durchschnitt.
Ja, der menschliche Faktor wird oft komplett vergessen. Alle Beteiligten der Hochwasserdebatte um Grimma sind Menschen, und die machen nun einmal Fehler. Vielleicht waren die Reaktionen nach 2002 ja ein Fehler, aber fragen wir anders herum: wie oft ist Grimma wirklich durch erhebliches Hochwasser bedroht? Wenn 2002 und 2013 unvorhersehbare, unvermeidliche Einzelfälle waren und hoffentlich auch bleiben, rechtfertigen sie meiner Meinung nach nicht solche überdimensionierten Hochwasserschutzkonzepte.
Bei dem als Vergleich herangezogenem Ort Moos in Bayern sieht das ganz anders aus (deshalb ist er auch eigentlich nicht mit der Situation von Grimma vergleichbar). Dieser Ort hat eine lange, regelmäßige Hochwassertradition, weshalb hier eine Absiedlung (Aufgabe der Siedlung) wirtschaftlich, sozial und denkmalpflegerisch vertretbar erscheint.
Denn der Denkmalschutz achtet immer auch auf “wirtschaftliche Unzumutbarkeit”. Das soll vermeiden, dass unsere Dörfer und Städten mit der Zeit zu unbezahlbaren und unnutzbaren Museen werden. Im Gegenteil: die Denkmalpflege ist sehr daran interessiert, für den Unterhalt nötige Veränderungen und Anpassungen an moderne Lebensstandards zu fördern. Doch das ist ein schmaler Grad und ein sehr komplexes Thema.
Deshalb sollte man bezüglich Grimma und anderer erneut vom Hochwasser betroffener Dörfer und Städte genauesten abwägen zwischen Hochwasserschutzmaßnahmen und Duldung gelegentlicher Überflutungen. Wenn man das wirtschaftlich gegen einander stellt und dabei für jede Siedlung individuell entscheidet, kommt man sicher zu den unterschiedlichsten Ergebnissen.