Wolfenbüttel im 19. Jh.

Unter dem Titel “Aufbruch in die Moderne” fand gestern eine Stadtführung durch Wolfenbüttel statt. In ca. 1,5 Stunden vermittelte die Historikerin Andrea Kienitz im Auftrag des Kulturstadt-Vereins Wolfenbüttel mit Bildern und Anekdoten sehr anschaulich, wie die Stadt im 19.Jh. aussah.
Nachdem 1753/54 der Hof von Wolfenbüttel nach Braunschweig zog und viele Handwerker folgten, mussten die Zurückgebliebenen neue Überlebensstrategien entwickeln. So bildete sich das berühmte Gärtnerwesen, das im 19. Jh. zahlreiche Konservenfabriken belieferte und somit zum blühen brachte.
Besonderes Thema war natürlich die erste Staatseisenbahn zwischen Braunschweig und Wolfenbüttel in Verbindung mit der Kaffeekultur, die mit dem türkischen Kaffeehaus am Stadtgraben das Leben der Bürgelichen sowie mit der Volkskaffeehalle am Bahnhof das Leben der Arbeiter veranschaulicht.
Auch bedeutende Persönlichkeiten, wie Rudolf Huch (Jurist und Autor) oder Henriette Schrader-Breymann (Pädagogin) wurden thematisiert. Und natürlich durfte die Gründungsgeschichte der Firma, die den heute weltweit bekannten Kräuterlikörs “Jägermeister” herstellt und das Lessing-Theater nicht fehlen.
So wurde in der relativ knappen Zeit doch ein recht umfassendes Bild dieses Jahrhunderts skizziert, das gezeichnet war von technischen Neuerungen, sozialen und politischen Umwälzungen.
Dieses sehr spannende Thema, dass mich schon länger beschäftigt, kann gern wieder in einer solchen oder ähnlichen Stadtführung behandelt werden.

Hochwasserschaden dank Denkmalschutz

So tituliert heute Heise auf seiner Internetplattform.
In diesem Artikel wird suggeriert, die Sächsische Stadt Grimma wäre aktuell nicht so schlimm überflutet, wenn nach dem letzten großen Hochwasser 2002 zügig mit dem Bau gigantischer Schottenwände – wie im Hochwasserkonzept von 2003 ermittelt – begonnen worden wäre. Denn diese wären dann 2013 fertig gewesen.
Anfang dieses Jahres und somit rechtzeitig?
Oder wohl eher erst gegen Herbst/Ende das Jahres und somit zwar nur knapp zu spät, aber Grimma wäre wohl trotzdem wieder überschwemmt worden.
Ich verstehe, dass Betroffene nun unter Schock stehen und irgendwo die Schuld die suchen. Aber sie überwiegend auf die Denkmalpflege zu projizieren, empfinde ich als sehr ungerecht.
Es mag stimmen, dass die Prüfungen zum Denkmalschutz den Baubeginn verzögerten und sogar verhinderten, aber doch nur, weil die zuständigen Denkmalpfleger genau abwägen mussten – und ja nicht nur diese eine Stadt, sondern noch viele Objekte mehr betreuen.
Denn Denkmalpfleger haben eine hohe gesellschaftliche Verantwortung zu trage. Wenn alte Gebäude verunstaltet werden, rufen viele Stimmen sofort: “Wo war die Denkmalpflege?” Wenn Baumaßnahmen versagt werden, heißt es wiederum “Die Denkmalpflege verhindert Fortschritt.”
Diese “Verhinderungsmacht” – wie sie auch in dem Artikel abwertend genannt wird – ist heute aber politisch und soziokulturell durchaus gerechtfertigt.
In vielen vergangenen Epochen sind durch unreflektierte, voreilige Baumaßnahmen oder gut gemeinte Verbesserungsmaßnahmen bedeutende Kulturdenkmale unwiederbringlich verloren gegangen. Daraus haben wir gelernt, dass unsere heutigen Ansichten schon von der nächsten Generation ganz anders gesehen werden, weshalb wir -also alle Berufe, die mit der Erhaltung von Kulturgut betraut sind – versuchen, langlebige und nachhaltige, nachvollziehbare Entscheidungen zu treffen.
Auch die in Grimma beteiligte Bürgerinitiative gegen die Schottwände hat für mich völlig nachvollziehbar gehandelt. Denn man muss immer bedenken, dass nach wie vor Menschen in dieser Stadt leben können müssen. Und wenn sie dann ständig auf diese Mauern schauen müssen, fördert das nicht gerade das Wohlbefinden, sondern erinnert eher an Bilder der Mauer, die einst Berlins Straßen durchschnitt.
Ja, der menschliche Faktor wird oft komplett vergessen. Alle Beteiligten der Hochwasserdebatte um Grimma sind Menschen, und die machen nun einmal Fehler. Vielleicht waren die Reaktionen nach 2002 ja ein Fehler, aber fragen wir anders herum: wie oft ist Grimma wirklich durch erhebliches Hochwasser bedroht? Wenn 2002 und 2013 unvorhersehbare, unvermeidliche Einzelfälle waren und hoffentlich auch bleiben, rechtfertigen sie meiner Meinung nach nicht solche überdimensionierten Hochwasserschutzkonzepte.
Bei dem als Vergleich herangezogenem Ort Moos in Bayern sieht das ganz anders aus (deshalb ist er auch eigentlich nicht mit der Situation von Grimma vergleichbar). Dieser Ort hat eine lange, regelmäßige Hochwassertradition, weshalb hier eine Absiedlung (Aufgabe der Siedlung) wirtschaftlich, sozial und denkmalpflegerisch vertretbar erscheint.
Denn der Denkmalschutz achtet immer auch auf “wirtschaftliche Unzumutbarkeit”. Das soll vermeiden, dass unsere Dörfer und Städten mit der Zeit zu unbezahlbaren und unnutzbaren Museen werden. Im Gegenteil: die Denkmalpflege ist sehr daran interessiert, für den Unterhalt nötige Veränderungen und Anpassungen an moderne Lebensstandards zu fördern. Doch das ist ein schmaler Grad und ein sehr komplexes Thema.
Deshalb sollte man bezüglich Grimma und anderer erneut vom Hochwasser betroffener Dörfer und Städte genauesten abwägen zwischen Hochwasserschutzmaßnahmen und Duldung gelegentlicher Überflutungen. Wenn man das wirtschaftlich gegen einander stellt und dabei für jede Siedlung individuell entscheidet, kommt man sicher zu den unterschiedlichsten Ergebnissen.

Restaurierung des Hanno-Hockey 3

Durch das Aufprallen der Spielkugeln auf den Banden waren hier vielfach die obersten Holzfasern mit Fassung gelöst und standen ab. Sie wurden mit Hautleim gefestigt.
Nachdem alle Bauteile des Automaten konserviert waren, konnten sie wieder zusammengesetzt werden.
Dabei stellte sich heraus, dass die rote Spielfigur nach der Befestigung nicht mehr einwandfrei gedreht werden konnte, da der Hockeyschläger nicht über das leicht verformte Spielfeld gleiten konnte.
Ein kleiner Kunststoffring aus der Computertechnik schaffte Abhilfe. Er wurde auf den Dorn aufgelegt und hob so die Spielfigur an. Somit kann sie wieder mit ausreichend Abstand über das Spielfeld gleiten.

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Da der Automat nicht mehr gewerblich bespielt werden soll, wurden die erheblich vergilbten, dünnen Kunststoffplatten über dem Spielfeld entnommen (und aufbewahrt), um die Einsicht zu verbessern. Diese Platten hatten ursprünglich den Zweck, die gläserne Deckplatte vor Schäden durch die stählernen Spielkugeln zu schützen. Bei Bedarf können im Nachhinein moderne Plexiglasplatten eingepasst werden.
Da die linke Nut minimal erweitert wurde, lässt sich die abdeckende, ursprüngliche Glasplatte leichter einschieben.
Leider erschien die Festigung des fragmentarischen ursprünglichen Lacks (wohl Cellulosenitrat) auf den Holzoberflächen nicht wirtschaftlich. Folglich wurden alle Oberflächen mit Schellack eingelassen.

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Die abschließende Funktionskontrolle zeigte, dass die gesamte Mechanik einwandfrei funktionierte – wenn man die Pfennigstücke mit dem richtigen Schwung einwirft. Dies war primär dem guten, vollständigen Erhaltungszustand zu verdanken. Lediglich Reinigung, Schmierung und kleinere Justierungen waren nötig.

Restaurierung des Hanno-Hockey 2

Nachdem zu zweit und unter viel Kraft und Gefühl das verklemmte Deckglas des Korpus heil entfernt werden konnte, offenbarte sich der Zustand des Inneren in Gänze.
Auch das Spielfeld und die Mechanik waren grundsätzlich in hervorragendem Zustand, abgesehen von partieller Korrosion und Verschmutzung. Besonders bemerkenswert sind die Vollständigkeit und Ursprünglichkeit. Alle zehn Spielkugeln waren erhalten, dazu noch 23 Zehn-Pfennig-Stücke von 1949 und 1950 sowie ein Zehn-Reichspfennig-Stück von 1925. Lediglich ein fehlender Stift bewirkte ein Verklemmen eines Schiebeblechs, das die Kugeln aus dem Tor freigibt.
Die stärkste Beschädigung war die durch Feuchtigkeit und Wärme gelöste, geschwundene und stark verformte grüne Folie des Spielfeldgrunds.

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Diese wurde mittels Hautleim, Wärme und Druck behutsam wieder am Pappgrund fixiert. Die beiden Risse im linken Bereich konnten nicht wieder geschlossen werden, deshalb wurden die Fehlstellen lediglich retuschiert. Die zahlreichen Kratzer, Dellen und Fassungsfehlstellen der beiden Spielfiguren durch die anschlagenden Spielkugeln wurden nicht retuschiert, da sie vom Gebrauch dieses Automaten zeugen.
Nach der Konservierung aller Metallteile und Reinigung des Inneren, wurde das Spielfeld wieder eingesetzt. Die abschließende Funktionsprüfung zeigte, dass die vordere, rote Spielfigur auf dem Dorn durch eine eingeschobene Unterlegscheibe erhöht werden musste. Durch den zu tiefen Sitz ließ sie sich nicht mehr einwandfrei drehen.

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Das Äußere des Holzkorpus war ursprünglich vermutlich mit Cellulosenitrat-Lack (CN-Lack) beschichtet. Durch den Einfluss von Feuchtigkeit ist dieser zwar craqueliert, partiell aufstehend oder verloren, doch sollte er durch Festigung erhalten bleiben.

Brand in Londoner Museum

Wieder ist einem Museum und einer Bibliothek eine Katastrophe widerfahren.
Heute brach ein Feuer im Londoner Cuming Museum und der benachbarten Newington Bücherei im Stadtteil Southwark aus.
Besucher und Angestellte konnten rechtzeitig und unverletzt evakuiert werden. Welcher Schaden an den Museumsobjekten entstanden ist, ist aber noch unbekannt – so, wie die Brandursache.
Das Museum zeigt nicht nur die Geschichte von Southwark, sondern auch die der Familie Cuming und ihrer Sammlung von verschiedenen Objekten aus weiten Teilen der Welt.
Hoffentlich hatte dieses Museum bereits einen Notfallplan etabliert.
Denn solch ein Ereignis betont nochmals die Bedeutung von Risikomanagement.

Deutsches Musikautomaten-Museum

Als ich kürzlich in Bruchsal war, habe ich die Chance genutzt, das Deutsche Musikautomaten-Museum im Schloss zu besuchen.
So wenig das, was ich von der Stadt selbst gesehen hatte, einen Ausflug lohnt, umso mehr sollte man dieses Museum sehen.
Über drei Etagen wird der Facettenreichtum und die Bedeutung von Musikautomaten vermittelt. Von Jahrmarktsorgeln über automatische Vögel, Orchestrien bis zu modernen Neuauflagen von Klavierautomaten kann man zahlreiche namhafte, typische, kuriose und umfassend dokumentierte Objekte bestaunen und belauschen. Die einstündige Führung ist sehr ansprechend und kompetent gestaltet.
Besonders interessant fand ich, dass der dortige DECAP-Automat klanglich der DECAP-Roboterband der Sammlung Gauselmann in Espelkamp gleicht. Das Jaulen beim Anschalten und die Töne klingen für mein ungeschultes Ohr nahezu identisch.
Thematisch überschneiden sich beide Sammlungen leicht, doch legt die Sammlung Gauselmann einen Schwerpunkt auf Musikboxen.
Für alle Technikinteressierten lohnen beide Ausstellungen einen Besuch.

Restaurierung des Hanno-Hockey

In der Mitte der 1930er Jahre waren Hockey-Automaten als Unterhaltung sehr beliebt. Verschiedenste Firmen stellten Hockey- oder Eishockey-Spiele her. So auch die Hanno-Automaten GmbH in Hannover. Einer dieser Hanno-Hockey-Automaten wurde von mir restauriert.Bild1

Bei diesem Automaten standen sich zwei Spieler an den Schmalseiten des tischähnlichen Automaten gegenüber und bedienten je eine Spielfigur. Diese verteidigte durch Drehbewegungen das eigene Tor und musste versuchen metallene Kugeln in das gegnerische zu schießen. Bei dem vorliegenden Automaten kosteten 10 Kugeln 10 Pfennig, was zur damaligen Zeit für die meisten Menschen nicht wenig Geld war. Dieser Automat besitzt kein Zählwerk für die geschossenen Tore. Sie werden ganz einfach durch Liegenbleiben der Kugeln im Tor markiert.

Ich bin immer wieder erstaunt, wie simpel die Mechaniken für solche Spiele gespaltet waren.

Konservatorisch spannend an diesem Automaten war der Erhaltungszustand, der sich innen und außen stark von einander unterschied. Innere Hölzer und Metalle waren sehr gut erhalten und teilweise überhaupt nicht korrodiert. Das äußere Eichenfurnier hingegen war an den Kanten vermehrt gelöst, teilweise ausgebrochen. Großflächige Schwemmränder waren ersichtlich. Die äußeren Metallteile waren teilweise sehr stark korrodiert. Insgesamt war der Automat dazu stark verschmutzt, u.a. mit Vogelkot. Trotzdem war der Erhaltungszustand doch sehr gut, da z.B. die obere, vermutlich noch ursprüngliche Glasscheibe weder gesprungen noch zerkratzt war. Auch der Schlüssel für das Kassenfach sowie die Kasse und ihr Sicherungsschloss sind noch erhalten. Bei den vier Buchenholzbeinen, die bei dem Automaten gelagert wurden, fehlten leider alle Schlosschrauben und Unterlegscheiben zur Befestigung am Korpus.

Dieser Automat hat vermutlich nicht viele Überarbeitungen erfahren. Möglicherweise wurden die eisernen, justierbaren Füße und das verchromte Schild der Münzeinwürfe später einmal mit einer moosgrünen Farbe überstrichen. Die erhebliche Korrosion dieser Teile hat aber viel dieser Schicht abgelöst.

Ich würde gern noch wissen wollen, in welchem Zeitraum dieser Automat von der Hanno-Automatenfabrik produziert wurde, wie viele es davon gab, ob es Vorgänger- und Nachfolgemodelle gab, wo sie aufgestellt wurden, wie lange sie in Betrieb waren. Am liebsten würde ich die erhaltenen (wie viele es wohl noch gibt?) vergleichend untersuchen, um genauere Aussagen zu Herstellungsbegebenheiten, Nutzungsspuren, Renovierungen und heutige Wertschätzung ableiten zu können. Und die technologischen Vergleiche zu den Hockeyspielen anderer Hersteller, wie Jentzsch & Meerz oder W. Rosenkranz aus Leipzig, sind auch noch völlig ungeklärt und dementsprechend spannend.

Kulturgut ist überall

Neulich auf Wohnungssuche besichtigte ich eine Wohnung in einem Mehrfamilienhaus aus den 1930er Jahren. Die Wohnung war entkernt und schon beim Eintreten war ich begeistert:
Wohnungstür und alle Zimmertüren mit Zargen waren noch aus der Bauzeit. Unter dem aktuellen weißen Anstrich sind sicher noch Frühere erhalten – vielleicht auch der Erste?
Die Wände – von Tapeten befreit – zeigten noch den ursprünglichen Wandaufbau aus Stroh und Lehmputz. Und 90% der ursprünglichen Fassung waren ersichtlich. Sehr interessant, wie dunkel die Wohnräume waren, mit großen schablonierten grafischen oder floralen Mustern. Nur die Küche war hell gestaltet, mit einer kleinen grafischen Bordüre.
In den 1970er Jahren wurden dann von der Küche Toilette und Dusche abgetrennt. Fenster wurden seitdem bereits einmal getauscht, ein Balkon angebaut.
Diese Wohnung war ein gutes Beispiel eines lebendigen Kulturgutes. Spuren aus der Entstehungszeit und späteren Renovierungen, Instandsetzungsmaßnahmen sind deutlich. Und nun steht eine neuerliche Grundsanierung an.
Diese bedeutet erhebliche Umbaumaßnahmen, wie eine komplette Neuanlage eines modernen Badezimmers, Erneuerung der Elektrik und der Heizung. Das ist nötig, um diese Wohnung wieder bewohnbar zu machen und damit ihrem ursprünglichen, historisch intendierten Zweck wieder zu zuführen. Auf keinen Fall sollte man solch ein Objekt musealisieren. Dabei reicht eine Dokumentation und Hinterlegung beim Denkmalamt.

Leider war die Wohnung zu groß und zu teuer für mich, aber die Erkenntnis, dass eigentlich überall um uns herum Kulturgut zu finden ist, hat mir gezeigt, dass wir Restauratoren, die historische Substanz erhalten auch in der modernen zukunftsorientierten Gesellschaft wichtig sind. Denn ohne Vergangenheit hat die Gesellschaft keine Kultur und keine Identität mehr.

Welterbe Erzgebirge

Anfang dieses Monats wurde der Antrag zur Erhebung des Erzgebirges zum Welterbe bei der UNESCO eingereicht. Und nach meiner Erfahrung bei dem erfolgreichen Antrag des Fagus-Werkes in Alfeld, hat die “Montan- und Kulturlandschaft Erzgebirge” gute Chancen, in die Liste der Welterbestätten aufgenommen zu werden.
Seit 1168 in Freiberg die ersten Silberfunde gemacht wurden, ist im Erzgebirge eine eigene Kultur entstanden. Der Bergbau hat nicht nur die Landschaft geformt, Städte und Siedlungen geschaffen, sondern auch das Leben der Bevölkerung geprägt. Daraus habe sich verschiedene Bräuche entwickelt. Allem voran natürlich die vielfältigen Weihnachtstraditionen, aber auch das Klöppeln oder Reifentiere Drechseln. Auch Musik, Literatur und Juristerei sind vom Bergbau geprägt. Nicht nur auf deutscher, sondern auch auf tschechischer Seite der Ländergrenze haben sich auch Flora und Fauna dem Bergbau angepasst. Seit einiger Zeit wird in der Nähe meines Heimatdorfes wieder ganz intensiv nach Mineralien gegraben.
Durch diese grenzüberschreitenden, materiellen und besonders vielfältigen, immateriellen Zeugnisse werden ausgewählte Anlagen im Erzgebirge hoffentlich bis 2015 Welterbe. Schon seit 1998 steht das Erzgebirge auf der Warteliste der UNESCO. Der aktuelle Antrag wurde von zahlreichen verschiedenen deutschen und tschechischen Vereinen, Gruppen und Institutionen erarbeitet.
Der Welterbetitel würde dann über den zu erwartenden touristischen Anstieg hoffentlich zum wirtschaftlichen Aufschwung in der Region führen – der dringend benötigt wird. Immer, wenn ich in meiner Heimat bin, macht es mich traurig, dass die Gegend kaum Perspektiven bietet. Auch das Image der Region würde sich dann sicher langfristig verbessern. Dafür müsste sich natürlich auch die Bevölkerung viel stärker den “Fremden” gegenüber öffnen.
Ich hoffe für das Erzgebirge sehr, dass der Antrag positiv entschieden wird.

Restauratoren – ein Volk für sich!? [Teil 2]

Die Welt der Restauratoren ist klein. Man kennt sich – zumindest in den gleichen Bildungskreisen.

Ich behaupte, die meisten akademischen Restauratoren haben wenig bis gar nichts mit Restauratoren im Handwerk zu tun.

Warum?

Während des Studiums wurde uns vermittelt, wir sollten uns nicht mit Handwerkern auf eine Stufe stellen. Theoretisch stimme ich dem zu, aber sind akademische Restauratoren besser als Restauratoren im Handwerk? Was unterscheidet diese beiden Berufsgruppen von einander? Handeln handwerkliche Restauratoren nach einer anderen Ethik als die Akademiker? Können sie etwa weniger?

Nach meinen Recherchen und einer netten E-Mail-Korrespondenz mit Dipl.-Ing. Frank Sprenger, dem Geschäftsführer des Verbands der Restauratoren im Handwerk e.V., weiß ich, dass wir alle nach der gleichen Ethik, den gleichen Restaurierungstheorien handeln. Restauratoren im Handwerk lernen genau so Kunsthistorisches, historische Techniken, verschiedene Untersuchungs- und Konservierungsmethoden. Dazu leisten sie oft ihre Ausbildung zum Restaurator über mehrere Jahre neben dem Berufsalltag und finanzieren sie komplett aus der eigenen Tasche. Das erfordert Disziplin und Organisation!

Der Unterschied scheint von den akademischen Kreisen hochgehalten zu werden. So wollen Museen lieber akademische Restauratoren. In der Denkmalpflege arbeiten Restauratoren im Handwerk oft unter der Anleitung eines akademischen Restaurators.

Läuft es darauf hinaus, dass akademische Restauratoren zukünftig Untersuchungen und Konzepterstellungen übernehmen, eher projektleiterische und überwachende Tätigkeiten ausführen? Wird es zukünftig so sein, dass nur noch die Restauratoren im Handwerk an das reale Objekt dürfen und hier Eingriffe vornehmen, während die Akademiker zusehen?

Wenn es in diese Richtung geht, ist es dann nicht umso wichtiger, dass wir jetzt schon stärker zusammenarbeiten, uns kennen lernen. Könnte man nicht Restauratoren im Handwerk auch gezielter an die Hochschulen holen, um z.B. historische Techniken zu unterrichten – sofern dies in den Lehrplänen enthalten bleibt.

Es ist dabei sehr erfreulich, dass im Berufsalltag bereits einige sehr fruchtbare Gemeinschaftsarbeiten von Restauratoren im Handwerk und akademischen Restauratoren stattfinden. Doch sollte dieses gemeinsame Verständnis bereits an den Hochschulen vermittelt werden. Schließlich haben wir doch alle das gleiche Ziel: die Erhaltung des kulturellen Erbes für die Gesellschaft.